Spleen
Charles Baudelaire: Gedichte in Prosa
„Wen gibt es unter uns, der nicht, in seinen ehrgeizigen Stunden, von dem Wunder einer poetischen Prosa geträumt hat, die musikalisch wäre ohne Rhythmus und ohne Reim, biegsam und eigenwillig genug, um sich den lyrischen Regungen der Seele, den Wellenbewegungen der Träumerei, den Erschütterungen des Bewusstseins anzupassen?
Es ist hauptsächlich das Leben in den Riesenstädten, das Durcheinander ihrer zahllosen Beziehungen, das dieses quälende Ideal entstehen lässt.”
Charles Baudelaire: Vorrede zu Der Spleen von Paris, 1869.
Basis der Inszenierung ist Charles Baudelaires Spätwerk, seine Gedichte in Prosa Der Spleen von Paris. Dichte Miniaturen, oft zu wenigen Zeilen komprimierte Szenen oder scheinbar flüchtig hingeworfene Gedankengänge beschwören die Epoche des „Untergangs der romantischen Sonne“. In ihnen widerspiegeln sich Splitter gescheiterter Utopien angesichts politischer Restauration im vorvorigen Jahrhundert: ein erstaunlich zeitgemäßes Panoptikum.
Die manchmal düster-bestialische, manchmal heiter-melancholische Atmosphäre des Baudelaireschen Kosmos spielt mit dem Menschen an der Schwelle zur Moderne: zwischen apathischer Lebensgier und erotisierter Todessehnsucht, zwischen Sehnsucht nach Unendlichkeit und brutaler Belanglosigkeit, im Tragischen meist lapidar, im Komischen immer subtil.
Die offene Spielweise dieser Inszenierung – die der Spieler mit Figuren und Musikinstrumenten auf der Bühne, sowie mit dem Textmaterial, eingesprochen von Kindern und Jugendlichen – zielt auf eine kaleidoskopische Betrachtung des Zuschauers. Eine eigene Magie entsteht in der Imagination zwischen Akteuren, Material und Publikum, eine Folge von Bildern, die den Blick Baudelaires kontrapunktiert und sucht, ihn für eine Wahrnehmung von heute zu öffnen.
Regie: Hendrik Mannes
Spiel & Ausstattung: Michael Vogel
Live-Musik: Charlotte Wilde
Stimmen: Jördis Barth, Julka Finger, Luana Goller, Lotta Hillert, Merlin Lando Dweezil Ben Müller, Luis Neuschäfer, Vincent Sudau, Aufnahmeleitung: Patrick Kukwa
Figurentheater Wilde & Vogel, Koproduktion mit dem FITZ! Stuttgart und Westflügel Leipzig.
Charles Baudelaire, Sämtliche Werke und Briefe, Band VIII. Gedichte in Prosa. Übersetzt von Friedhelm Kemp, Aufführungsrechte beim Rowohlt Theater Verlag, Hamburg.
Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Stuttgart, Kulturamt der Stadt Leipzig, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Stiftung der Württembergischen Hypothekenbank für Kunst und Wissenschaft
Ausgezeichnet mit dem Preis für eine herausragende künstlerische Leistung beim Stuttgarter Theaterpreis 2007 / Grand Prix und Young Critics Award beim International Festival of Puppetry Art, Bielsko-Biała (PL) 2008 / Grand Prix und zwei Sonderpreise beim International Festival of Puppet Theatre Warschau (PL) 2009 / Preis für beste Musik beim Festival “Spotkanie” am Teatr Baj Pomorski Torun (PL) 2009.
(Fotos Erich Malter, Helmuth Pogerth, Jaana Jur, Richard Termine)
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